Große Gedenkveranstaltung am 3. und 4. November 2022

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Seit dem 3.11.2022 erinnert eine Gedenktafel am HBG sowohl an den Namenspatron der Schule als auch an den ehemaligen Schüler Rudolf Jacobs, der am 3. November 1944 sein Leben im Kampf gegen den Nationalsozialismus und Faschismus in Norditalien ließ.

In einem feierlichen Akt wurde am Donnerstag die Gedenktafel zu Ehren von Hermann Böse und Rudolf Jacobs beim Schulportal enthüllt. Den Auftakt zur Festveranstaltung machte der Chor unter der Leitung von Sarah Dieckhoff, der das von Hermann Böse selbst verfasste Stück „Hymne“ präsentierte. Vor über 200 Gästen erinnerte die Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Aulepp, in ihrer Rede sowohl an Hermann Böse (1870-1943), langjähriger Musiklehrer der Schule, als auch an Rudolf Jacobs (1914-1944), ehemaliger Schüler der Schule von 1925 bis 1932. Beide Persönlichkeiten eint ihr aufrechtes Eintreten für Humanität und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus, den sie beide schlussendlich mit ihrem Leben bezahlten. Hermann Böse war aktiv in der Kommunistischen Partei, während der kurzen Phase der Räterepublik Leiter des „Volkskommissariats für Schul- und Bildungswesen“ und in der NS-Zeit aktiv im Widerstand. Rudolf Jacobs stammte aus einer namhaften Bremer Architektenfamilie, von der er liberal geprägt war. Als Marine-Unteroffizier wurde er 1943/44 in La Spezia in von der Wehrmacht besetzten Nord-Italien eingesetzt, wo Wehrmacht und SS einen grausamen Vernichtungsfeldzug gegen die Zivilbevölkerung führten. Jacobs schloss sich den Partisanen an und kämpfte als „Comandante Rodolfo“ auf ihrer Seite. Am 3. November 1944 wurde er in der Kleinstadt Sarzana von italienischen Faschisten erschossen.

Unsere Schulleiterin Sibylle Müller ging in ihrer Rede darauf ein, dass sich Hermann Böse und Rudolf Jacobs in der Zeit von 1925 bis 1932, in der Rudolf Jacobs Schüler der Schule war, kannten. Die Schule erfuhr von diesem Zusammenhang durch die Journalistin Ulrike Petzold, die sich im Rahmen ihres Radiofeatures über Rudolf Jacobs an die Schule gewandt hatte. Seit 2021 arbeitet sie mit der Geschichts-AG der Schule zu der Person Rudolf Jacobs und begleitete den Arbeitsprozess bis zur Enthüllung der Gedenktafel.

Auch die Enkelin von Rudolf Jacobs, Claudia Höft, war bei der Gedenkveranstaltung anwesend und betonte in ihrer Rede, dass sich ihr Großvater vor allem gegen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit gewandt hatte. Sie berichtete von ihren berührenden Erlebnissen im italienischen Sarzana, wo Rudolf Jacobs bis heute verehrt wird und ihre Familie mit offenen Armen empfangen wurde.

Abschließend sprachen Lena Grote und Fanny Bierwirth als Vertreterinnen der Schülerschaft und Geschichts-AG und schilderten ihre Sicht auf die beiden Persönlichkeiten. Das Projekt sei für alle in der AG wichtig gewesen, um die Geschichte wachzuhalten. Sie hoben in ihrer Rede hervor, dass niemand je wieder in die Lage wie Hermann Böse oder Rudolf Jacobs geraten dürfe, Widerstand gegen eine Diktatur unter Einsatz ihres Lebens leisten zu müssen.

Vor der Enthüllung der Gedenktafel durch Sascha Aulepp, Claudia Höft, Fanny Bierwirth und Lena Grote rundete der Chor mit dem Partisanenlied „Bella Ciao“ die Gedenkveranstaltung würdevoll ab.

Anschließende Podiumsdiskussion mit italienischen Gästen

Im Anschluss daran konnten sich die Gäste sowohl die Ausstellung der Internationalen Friedensschule Bremen über Rudolf Jacobs als auch die verschiedenen Arbeitsergebnisse der Geschichts-AG ansehen. Die Schüler*innen aus der 9. Klasse (Philipp Jürgens, Teresa Kelz, Greta Lettau, Malik Nold und Simeon Wesner) standen für Diskussionen und Erklärungen zur Verfügung und halfen anschließend bei der großen Podiumsdiskussion in der Aula, um die Fragen aus dem Publikum zusammenzutragen und an die Leiterin der Geschichts-AG, Louisa Lütjen, weiterzuleiten.

Zu dieser Veranstaltung hatten das Hermann-Böse-Gymnasium gemeinsam mit der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Bremen (DIG) eingeladen. Die Begrüßung erfolgte daher von Christine Stangl (HBG) und von Marco Eggert (DIG), der zudem auch ehemaliger Schüler des HBG ist. Moderiert von Ulrike Petzold schilderten die Podiumsgäste ihre Sichtweisen auf Rudolf Jacobs und erläuterten, warum es wichtig ist, sich an die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg zu erinnern: Claudia Höft (Enkelin von Rudolf Jacobs), Carlo Greppi (Historiker aus Turin und Autor des Werks „Il buon tedesco“ – „Der gute Deutsche“ über Rudolf Jacobs), Denise Murgia (zweite Vorsitzende der Partisanenorganisation ANPI aus Sarzana), Ekkehard Bohne (Vertreter der Internationalen Friedensschule Bremen) und die zwei Schülerinnen Fanny Bierwirth und Lena Grote (Vertreterinnen der Geschichts-AG des HBG). Darüber hinaus wurde ein Grußwort der Bürgermeisterin von Sarzana eingespielt und das Publikum schließlich mit in den Dialog einbezogen. Claudia Höft erklärte auf die Frage von zwei Schülern, dass sie sehr berührt sei, in der Schule ihres Großvaters zu sein. Der Abend hatte jedoch auch einen bitteren Moment, als Denise Murgia auf die Frage aus dem Publikum, welche möglichen Auswirkungen der Regierungswechsels in Italien auf die Arbeit von ANPI habe, antwortete, sie sei froh, dass die meisten Partisanen bereits gestorben sind und die aktuelle politische Entwicklung nicht mehr miterleben müssen. Am Ende der Veranstaltung überreichten Carlo Greppi und Denise Murgia den Schüler*innen des HBG zwei Geschenke: ein Exemplar von „Il buon tedesco“ (C. Greppi) und ein von Schülern aus Sarzana gestaltetes Graphic Novel über Rudolf Jacobs, das von ANPI herausgegeben wurde.

Abrundung der Gedenkveranstaltung am Freitag in der Schule

Am 4.11. hatten weitere Schulklassen in der Aula die Möglichkeit, mit Carlo Greppi und Denise Murgia zu diskutieren. Moderiert durch Fanny Bierwirth und Lena Grote kamen Themen wie das Desertieren im Krieg, der Zweite Weltkrieg in Norditalien und der Kampf der Partisanen zur Sprache. Auch die aktuelle politische Lage in Italien und die antidemokratischen Entwicklungen in Europa wurden von der Schülerschaft kritisch angesprochen. Carlo Greppi betonte, dass Rudolf Jacobs zeigen wollte: Es gibt ein anderes Deutschland als das der Nationalsozialisten, eine andere, eine friedliche und freie Welt ist möglich. Auch wenn sich laut Denise Murgia die Partisanen selbst nicht als Helden gesehen haben, würden sie im Nachhinein verehrt werden. Rudolf Jacobs ist posthum zum Ehrenbürger von Sarzana erklärt worden und hat mehrere Auszeichnungen, unter anderem des Italienischen Staates erhalten. Sie erinnerte daran, dass die „Brigata Muccini“ der Partisanen, zu der Rudolf Jacobs gestoßen ist, eigentlich nicht wollte, dass sich Rudolf Jacobs selbst in Gefahr bringt: Deutschland brauche nach dem Krieg jemanden wie Rudolf Jacobs zum Wiederaufbau und zur politischen Neugestaltung. Als „il buon tedesco“ bleibt er nach seinem Tod bis heute in Erinnerung. Zum Abschluss betonten die beiden italienischen Gäste, wie wichtig ihnen der Austausch gerade mit der jungen Generation sei und bedankten sich bei der Schülerschaft für den kritischen und gewinnbringenden Diskurs.

Text von Louisa Lütjen und Christine Stangl

Das Projekt wurde unter anderem kofinanziert durch die Europäische Union (Erasmus+).

Fotos von Alexander Büring

Gruppenfoto vor der Gedenktafel von links nach rechts:

  • Carlo Greppi (Historiker aus Turin, Autor von „Il buon tedesco“, einer wissenschaftlichen Abhandlung über Rudolf Jacobs)
  • Denise Murgia (zweite Vorsitzende der Partisanenorganisation ANPI in Sarzana)
  • Ulrike Petzold (freie Journalistin und Autorin eines Radiofeatures über Rudolf Jacobs)
  • Louisa Lütjen (Leiterin der Geschichts-AG am HBG)
  • Fanny Bierwirth (Schülerin des HBG, Mitglied der Geschichts-AG)
  • Sascha Aulepp (Senatorin für Kinder und Bildung)
  • Claudia Höft (Enkelin von Rudolf Jacobs)
  • Lena Grote (Schülerin des HBG, Mitglied der Geschichts-AG)
  • Sibylle Müller (Schulleiterin des HBG)
  • Christine Stangl (Stellvertretende Schulleiterin des HBG, Co-Leiterin der Geschichts-AG)
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