Das Fach Philosophie stellt sich vor!

Was kann man von einem Philosophen erwarten, der ein Leben lang seine Geburtsstadt bzw. deren Umgebung nicht verließ, dessen Mitbürger nach seinem streng eingehaltenen Spaziergang die Uhr stellen konnten, der nicht nur ein eingefleischter Junggeselle war, sondern einem intimen Umgang ganz grundsätzlich abschwor? Nichts, sollte man denken, und dennoch ist hier die Rede von Immanuel Kant, einem der Philosophen schlechthin. Vielleicht war ein derart reduzierter und streng geordneter Alltag, ein Alltag, der nach außen hin schrullig wirkte, für Kant notwendig, um in ihm Halt zu finden, denn sein Gedankenkosmos schien unbegrenzt; seine Auffassung von der menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeit war in der Philosophiegeschichte revolutionär. Kant widmete sich allen Fragen, die das menschliche Dasein berühren.

Neben der Frage im Hinblick auf die Erkenntnistheorie (Was kann ich wissen?) sind es noch die Fragen der Ethik (Was soll ich tun?), der Metaphysik (Was darf ich hoffen?) und zusammenfassend die der philosophischen Anthropologie (Was ist der Mensch?). Sowohl der Bildungsplan für die Sekundarstufe I als auch derjenige für die Sekundarstufe II orientieren sich an den vier kantischen Fragen, die gleichbleibend als Leitfaden durch sämtliche Jahrgänge führen.

Neben Kant stoßen wir beim gemeinsamen Blick in die Philosophiegeschichte allenthalben auf schrullige Philosophen, die abenteuerliche Gedankenexperimente anstellten bzw. noch anstellen. Wir tun es ihnen nach, folgen ihren Gedanken und entwickeln auch eigene Gedankenexperimente. Wir lassen uns zum Beispiel in der griechischen Antike im Höhlengleichnis von Platon vom barfüßigen Sokrates in die Tiefe an einen düsteren Ort mit sonderbaren Gestalten führen, um im fragend-entwickelnden sokratischen Gespräch mehr über uns Menschen und unseren Erkenntniswunsch zu erfahren. Wir folgen weiterhin dem neuzeitlichen Denker Descartes in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, der in seinem Meditieren über die Philosophie mit Träumen und bösen Dämonen kämpfen muss. Er lehrt uns die Methode des Zweifelns, die in der radikalsten Ausprägung sogar unsere eigene Existenz in Frage stellt bzw. unsere Existenz auf ein bloßes einzelnes Bewusstsein reduziert. Es ist nur konsequent, wenn wir uns dann – annähernd in der Gegenwart angekommen – auch in filmische Welten entführen lassen, die diese Auffassung vom Bewusstsein aufgreifen: Der Film Matrix spielt mit dem entsprechenden philosophischen Gedankenexperiment, wonach sich ein Gehirn in einem mit flüssiger Nährstofflösung aufgefüllten Tank befindet. Angeschlossen an einen Computer wird diesem Gehirn die Existenz eines eigenen Körpers, gar der gesamten Außenwelt vorgespielt.

Es ist einerlei, ob wir uns nun in einer in der Antike ausgedachten Höhle oder in einem in der Moderne erfundenen Tank, ob wir uns auf der Suche nach dem kleinen Glück oder nach dem großen über-geordneten Sinn des Lebens befinden: In der Summe gibt es eine Vielzahl von Denkanstößen, die es im Philosophieunterricht zu besprechen und zu diskutieren gilt; am besten lebhaft und angeregt – ganz so, als hätte Immanuel Kant zu einer seiner Tischgesellschaften geladen. Denn das angeregte Gespräch mit anderen gehörte genauso zu seiner alltäglichen Routine.